Was die CDU in der Bildung wirklich will oder: Wie die Regierungsunfähigkeit der Union die Zukunft Thüringens gefährdet.
In der Demokratie werben Parteien mit ihren Ideen für parlamentarische Mehrheiten. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden mit ihrer Stimme, welchen Weg ein Land in den kommenden Jahren gehen soll.
Wie unterschiedlich die Richtungen dabei sein können, zeigt der Blick auf die Thüringer Programme von SPD und CDU. Beide Parteien stehen vor der gleichen Herausforderung. In den vergangenen zwei Jahrzehnten seit 1990 hat Thüringen 400.000 Einwohner verloren. In den nächsten zwei Jahrzehnten werden es weitere 400.000 sein. Gleichzeitig sinken die Zuweisungen aus dem Solidarpakt und der Europäischen Union. Im Ergebnis rechnet der CDU-Finanzminister mit einem Rückgang des Haushaltsvolumens bis zum Jahr 2020 von derzeit 8,9 Mrd. Euro auf 7,5 Mrd. Euro. Die Thüringer Politik muss Antworten geben, wie mit dieser Herausforderung umgegangen wird.
Die Antwort der SPD ist klar. Der Thüringer Haushalt muss nach den finanzpolitischen Irrfahrten der CDU in vergangenen Legislaturen konsolidiert werden. Den nachfolgenden Generationen darf keine erdrückende Schuldenlast hinterlassen werden. Der CDU-Schuldenberg muss weg. Gleichzeitig darf der nachfolgenden Generation aber auch nicht die Zukunft weggespart werden. Wir brauchen Schwerpunktsetzungen in zentralen Zukunftsfeldern: frühkindliche Bildung, Schule, Wissenschaft und Forschung sowie Soziales und Kultur.
Welche Erfolge eine solche Strategie bringen kann, zeigt bereits der Blick auf die Thüringer Hochschulen. Mittlerweile kommen fast 40 Prozent der Studienanfänger aus den alten Bundesländern und 16 Prozent aus dem Ausland. Die Thüringer Hochschulen sind Zuwanderungsmagneten, die kluge Köpfe aus aller Welt in das Land ziehen. Die Absolventen finden in Thüringen eine neue Heimat, suchen hier nach beruflichen Herausforderungen und bringen ihr Wissen in die Thüringer Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung ein. Attraktive Hochschulen stoppen Zukunftskiller: Fachkräftemangel, Überalterung, Stagnation.
Die Hochschulen leisten aber noch mehr. Sie stellen Thüringer Unternehmen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten auf internationalem Niveau zur Verfügung und sind so ein Garant für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Wirtschaft. Investitionen in die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zahlen sich deshalb doppelt aus. Mit jedem Euro Zuschuss des Landes erwirtschaften Hochschulen bis zu zwei Euro – Einnahmen, die dem Land wieder zugute kommen.
Die SPD hat in den vergangenen fünf Jahren gezeigt, wie Investitionen in die Bildung Thüringens Zukunft sichern.
Ganz anders sehen die Pläne der CDU aus. Im November 2013 hat der CDU-Landesparteitag zu den Bildungsfinanzen beschlossen, „den Anteil der Ausgaben in diesen Bereichen im Landeshaushalt zumindest stabil“ zu halten. Dieser Passus klingt zunächst unverfänglich, ist aber in Wahrheit eine Bankrotterklärung. Denn seine Folgen sind dramatisch.
Halten wir uns noch einmal vor Augen, wie sich der Landeshaushalt entwickelt: Bis 2020 wird er von 8,9 Mrd. Euro auf 7,5 Mrd. Euro sinken. Das bedeutet ein Minus von 16 Prozent. Die CDU koppelt die Bildungsaussagen an diesen allgemeinen Abwärtstrend. Mit Kürzungen um „zumindest“ 16 Prozent verschlechtert die CDU Thüringens Aussichten in dem für unsere Zukunft wichtigsten Feld, der Bildung.
Doch damit nicht genug. Ausgaben in Bildung und Wissenschaft sind vor allem Ausgaben für Personal; für Gehälter von Erziehern, Lehrern und Wissenschaftlern. Personalkosten steigen von Jahr zu Jahr. Im Schnitt um 2,5 Prozent. Da die CDU die Bildungsausgaben deckeln will, gehen die steigenden Personalkosten zu Lasten sonstiger Bildungsinvestitionen. Bei einem jährlichen Aufwuchs der Personalkosten bis 2020 in Höhe von 2,5 Prozent pro Jahr müssten weitere 16 Prozent im Bereich der laufenden Bildungsausgaben gekürzt werden.
Im Ergebnis streicht die CDU 32 Prozent der Investitionen in Bildung und Wissenschaft bis zum Jahr 2020!
Welche Folgen hätte dieser Kurs für die Thüringen Hochschul-, Forschungs- und Schullandschaft? Man muss kein Prophet sein, um die CDU-Pläne in harte Fakten zu übersetzen. So sieht ein Szenario konkret aus:
– Im Jahr 2015 wird der Freistaat Thüringen für seine Hochschulen 395 Mio. Euro aufwenden. Um ein Drittel dieses Etats einzusparen, müsste der Betrieb der Bauhaus Universität Weimar, der Hochschule für Musik Weimar, der Fachhochschule Erfurt, der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena, der Fachhochschule Nordhausen und der Fachhochschule Schmalkalden vollständig eingestellt werden. Mit anderen Worten: Um den CDU-Kostenrahmen (Einsparziel: 32 %) im Hochschulbereich umzusetzen, müssen mindestens sechs der neun Thüringer Hochschulen geschlossen werden!
Wie konkret die Vorstellungen der CDU von Einschnitten im Bildungsbereich bereits sind, zeigt eine andere Debatte: Die Auseinandersetzung um die Zukunft der Kindergärten. In ihrem November-Beschluss kündigt die CDU auch an, „einzelne in den letzten Jahren geschaffene Standards noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.“ Was heißt das? Die Antwort geben interne Pläne des CDU-Finanzministeriums. Selbst wenn die CDU in der Öffentlichkeit etwas anderes behauptet – bereits mehrfach hat das CDU-Finanzministerium versucht, das Fachkräftegebot aufzuweichen. Statt Erzieherinnen und Erziehern (5 Jahre Ausbildung) sollen künftig Sozialassistenten (2 Jahre Ausbildung) in den Thüringer Kindergärten eingesetzt werden. Das CDU-Finanzministerium plant Einsparungen von 20 Millionen Euro – auf Kosten der Kleinsten. Mit der SPD wird es Einschnitte bei den Kindergärten nicht geben.
Wie skrupellos die CDU die Thüringer Öffentlichkeit an der Nase herumführen will, zeigt ein weiterer Punkt. Die CDU verspricht in bunten Prospekten: „500 neue Lehrer garantieren den Unterricht und stoppen den zunehmenden Unterrichtsausfall“. Aber in Wirklichkeit verhindert sie genau das. Alle CDU-Minister einschließlich der von der CDU-geführten Staatskanzlei haben ihr Veto eingelegt gegen die Erhöhung des Einstellungskorridors von derzeit 400 Lehrerinnen und Lehrern auf 500 Neueinstellungen pro Jahr. SPD-Bildungsminister Christoph Matschie möchte mit den zusätzlichen Stellen eine Personalreserve zur Vermeidung von Unterrichtsausfall aufbauen. Die CDU blockiert genau das.
Die Personalreserve zur Vermeidung von Unterrichtsausfall ist ein zentrales Element des Personalentwicklungskonzeptes SCHULE, das das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur gemeinsam mit den gewerkschaftlichen Spitzenverbänden erarbeit hat. Dieses Konzept zeigt konkrete Entwicklungslinien für die kommenden Jahre. Die hier zu lösenden Hauptaufgaben stammen noch aus der Zeit der CDU-Alleinregierung: Hohes Durchschnittsalter der Lehrerinnen und Lehrer durch fehlende Neueinstellungen früherer Jahre, blockierte Stellen durch Altersteilzeitregelungen aus den Althaus-Jahren. Die Umsetzung des Personalentwicklungskonzeptes SCHULE und damit die Bereinigung der alten Probleme wird von der CDU jedoch genauso blockiert wie die tatsächliche Einstellung von 500 neuen Lehrern für Thüringen.
Die CDU bringt nicht die Kraft auf, die Frage zu beantworten, welche Bereiche von der Haushaltskonsolidierung ausgenommen werden sollen, obwohl die eine Aufgabe für die Zukunft des Landes wichtiger als die andere ist. Dabei finden sich im Thüringer Landeshaushalt noch viele Posten, deren Sinnhaftigkeit in Frage zu stellen ist. So finanziert der Freistaat Thüringen eine Deckstation für Zuchthengste im sächsischen Moritzburg mit 220.000 Euro pro Jahr mit. Zu klein? Warum finanziert Thüringen dann als einziges Bundesland die absurde Herdprämie namens Landeserziehungsgeld (19 Mio. Euro/Jahr) zusätzlich zur Herdprämie des Bundes? Wir sehen: Der Landeshaushalt verfügt über Einsparpotenziale, die zur Haushaltskonsolidierung beitragen können. Die CDU kann sich nur nicht entscheiden, alte Zöpfe abzuschneiden.
Noch weniger Kraft als in Entscheidungsfragen bringt die CDU aber für echte Zukunftsperspektiven auf. Der Irrweg in der Bildungspolitik zeigt das. Ein gutes Beispiel ist aber auch die Arbeit an einer Verwaltungs- und Gebietsreform. Erst hatte Christine Lieberknecht die Angelegenheit zur Chefsache erklärt und konkrete Ergebnisse angekündigt. Dann kassierte die CDU aus Angst vor anstehenden Kommunalwahlen die vorsichtigen Ankündigungen effizienterer Gebietsstrukturen ein. Zum Schluss wurden sogar die selbst unterbreiteten Vorschläge zum kostensparenden Verwaltungsumbau einkassiert, weil man es sich nicht mit dem eigenen Innenminister anlegen wollte. Statt in Zukunftsfelder zu investieren bezahlt die CDU lieber teure Verwaltung. Noch Fragen?
Ja! Warum ist das so? Die Ursache sind die Grabenkämpfe innerhalb der CDU: Ministerpräsidentin gegen Fraktionsvorsitzenden, Fraktionsvorsitzender gegen Generalsekretär, Generalsekretär gegen Innenminister u.s.w. Jeder verteidigt erbittert seine Spielwiese. Der Fraktionsvorsitzende verteidigt die letzten Trümmer der abgewählten Ära Althaus. Die Ministerpräsidentin setzt zwar gern unliebsame CDU-Minister vor die Tür (zuletzt: Marion Walsmann), aber politische Schwerpunkte setzt sie nicht.
Und damit schließt sich der Kreis. Die CDU ist mit sich selbst beschäftigt. Grabenkämpfe, gepaart mit großer Ratlosigkeit, welche Idee man für Thüringen hat, führen zu einer kopflosen Politik. Und manchmal schleichen sich dann sogar Aussagen in Leitpapiere, in denen die CDU erkennen lässt, wohin es mit ihr geht: abwärts. So jemand sollte nicht weiter regieren, sondern sich in der Opposition erneuern.
Die Thüringerinnen und Thüringer können sich am 14. September entscheiden.
Markus Giebe – Vorsitzender der Jusos Thüringen
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