INTERVIEW
Rasha Nasr
Stell dich bitte kurz vor!
Ich bin Rasha, 28 Jahre alt, ich komme aus Dresden. Ich bin Büroleiterin von Albrecht Pallas, dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen. Ehrenamtlich engagiere ich mich in der SPD Dresden als Beisitzerin im Vorstand, mache dort Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ich sitze im Stadtbezirksbeirat für die Dresdner Altstadt und bin außerdem im Deutsch-Syrischen-Verband Dresden e.V. Und: Ich bin leidenschaftliche Hobby-Bäckerin 🙂
Wie definierst du “Weiblichkeit”? Welchen Einfluss hat das “Weiblich-Sein” auf dein Leben? Was würde sich in deinem Alltag verändern, wärst du nicht weiblich?
„Weiblich-Sein“ bedeutet für meinen Alltag, mich oft erklären zu müssen. Ich bin Büroleiterin, habe schon als Integrationsbeauftragte und Pressesprecherin gearbeitet. Trotzdem werde ich bis heute noch gefragt, ob ich die Praktikantin bin. Weiblich-Sein heißt für mich oft, darum kämpfen zu müssen, was für Männer selbstverständlich ist: Anerkennung, Wertschätzung, Respekt. Weiblich-Sein heißt für mich aber auch, Banden zu bilden und die wertvolle Arbeit vieler engagierter Frauen zu unterstützen und bekannter zu machen.
Was macht eine ostdeutsche Biografie aus? Was macht dich ostdeutsch?
Meine Eltern sind erst 1986 aus Syrien in die DDR eingewandert. Bei mir ist es also nicht so, wie bei meinen Schulfreund:innen oder Kommiliton:innen oder Kolleg:innen, dass meine Eltern oder Großeltern die Ungerechtigkeiten der Nachwendezeit so hart miterlebt haben. Trotzdem gibt es da eine Situation, die ich nie vergessen werde: Auf einer Sprachreise nach England im Jahr 2009 wurde mir von einer 14jährigen aus Hamburg gesagt, dass ich ihr leid tue, weil ich aus dem Osten komme. Da weiß man, was bei ihr zu Hause erzählt wurde. Dass Ostdeutsche bemitleidenswert seien, dass es ihnen ja nicht so gut gehe, dass sie zurückgeblieben seien. Was ja totaler Quatsch ist. In der Tat ist es so, dass ich mich früher schon und heute immer mehr als ostdeutsche Frau fühle. Ich bin Ossi und stolz drauf. Und ich hoffe, dass die ostdeutschen Perspektiven in Berlin mehr gehört und vor allem ernster genommen werden. Es kann nicht sein, dass ostdeutsche Arbeitnehmer:innen für die gleiche Arbeit weniger erhalten, als ihre westdeutschen Kolleg:innen. Es kann nicht sein, dass Sachsen Schlusslicht bei der Tarifbindung ist. Und es kann nicht sein, dass ostdeutsche Rentner:innen in Scharen auf’s Sozialamt gehen müssen, um irgendwie über die Runden zu kommen, weil die Rente nicht reicht. Da müssen wir dringend ran.
Fühlst Du dich politisch repräsentiert? Wenn Ja, wodurch? Wenn Nein, was fehlt?
Wenn ich in den Sächsischen Landtag oder den Deutschen Bundestag schaue, dann sehe ich da wenige Frauen, dann sehe ich da sehr wenige People of Colour. Ich fühle mich nicht wirklich repräsentiert. Seien es zu wenige ostdeutsche Abgeordnete in Berlin oder zu wenig Frauen oder viel zu wenige nicht-weiße Deutsche. Unsere Gesellschaft ist vielfältiger, als der Bundestag anmuten lässt. Und genau darin liegt doch eigentlich unsere Stärke – in unserer Vielfalt. Was bisher fehlt, ist der Mut, auch diese Menschen in Positionen zu bringen, in denen sie etwas verändern können. Ich hoffe, dass nächstes Jahr viele junge, weibliche, ostdeutsche Personen nach Berlin gehen und für einen neuen Politikstil sorgen.
Welche Ereignisse und/oder Umstände haben Dich politisiert?
Meine Herkunft, mein Aussehen, mein Name. Ich habe schon immer mit rassistischen Anfeindungen kämpfen müssen, musste mich immer rechtfertigen, hatte immer das Gefühl, nicht wirklich dazu zu gehören. Das erste Mal wach geworden bin ich 1998 auf der Jorge Gomondai Gedenkveranstaltung in Dresden – damals ist mir bewusst geworden, dass Menschen sterben, weil sie anderen Menschen nicht in den Kram passen. Und damals ist mir bewusst geworden, dass ich alles dafür tun würde, dass weder meinen Freunden, meiner Familie, noch mir passiert, was Jorge damals erleben musste.
Kannst Du Dir deine Zukunft im Osten vorstellen? Wenn Ja, warum? Wenn Nein, warum nicht? Ggf.: Was müsste sich verändern?
Ich bin Ossi und stolz drauf. Ich habe immer meinen Platz in dieser Welt gesucht: Den einen war ich nicht deutsch genug, den anderen wieder zu deutsch. Wenn man in zwei Welten aufwächst, hat man umso mehr das Bedürfnis einen festen Platz zu finden, an dem man zu Hause ist, an dem man sich heimisch fühlt. Das ist für mich Dresden. Hier bin ich geboren und aufgewachsen, ich arbeite hier, hier engagiere ich mich für das selbstbewusst weltoffene Dresden. Und das lasse ich mir nicht wegnehmen. Was sich ändern müsste? Die Politik der Dresdner Rathausspitze: Dass Pegida bis heute die Plätze der Innenstadt nutzen darf, um ihren rassistischen Müll zu verbreiten, ist ein echtes Armutszeugnis.