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INTERVIEW

Annika Neubert

Stell dich bitte kurz vor!

Mein Name ist Annika, ich bin 26 Jahre alt und lebe die längste Zeit meines Lebens in Thüringen. Mein aktueller Lebensmittelpunkt ist Erfurt. Ich habe gerade ein Masterstudium der Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts an der Universität Jena absolviert und arbeite seit einigen Jahren freiberuflich als Bildungsreferentin im Bereich der historisch-politischen Bildung. Auch in meiner Freizeit geht es immer viel um Politik, Geschichte und Pädagogik, denn ich engagiere mich inzwischen seit fünf Jahren bei der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken. Das ist für mich ein wichtiger Ort, um gemeinsam mit anderen jungen Menschen die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben, besser zu verstehen, um sie zu verändern.

Wie definierst du “Weiblichkeit”? Welchen Einfluss hat das “Weiblich-Sein” auf dein Leben? Was würde sich in deinem Alltag verändern, wärst du nicht weiblich?

Wie ich Weiblichkeit definiere, hat auf die Frage, welchen Einfluss „Weiblich-Sein“ auf mein Leben hat, im Grunde leider keinen Einfluss. Dieses Problem kennt man ja: Auch wenn ich finde, Weiblichkeit sollte die Summe aller Fähigkeiten und Eigenschaften beschreiben, die Frauen überall auf der Welt eben so haben, versteht die Gesellschaft darunter etwas ganz Anderes. Dort ist der Begriff eher eine diffuse Schablone für ein von Frauen erwartetes Verhalten denn eine positive Selbstbezeichnung, die Frauen darin bestärkt, so unvoreingenommen wie möglich ihren Interessen und Neigungen nachzugehen.

Dass „Weiblich-Sein“ in unserer Gesellschaft oft noch immer als ein Synonym für „Schwach-Sein“ verstanden wird, d.h. etwas ist, das einschränkt und degradiert, habe ich schon als Kind gemerkt. Ich erinnere mich, dass ich selbst deshalb nur sehr ungern damit identifiziert werden wollte, was zur Folge hatte, dass ich schon früh versucht habe, einen Zugang zu männlich dominierten Räumen zu finden. Daraus resultieren sicherlich eine Menge Dinge, die mich heute ausmachen, z.B. ein eher extrovertiertes und raumgreifendes Auftreten, das mir selbstverständlich nicht selten als „unweiblich“ angelastet wurde. Es ging jedoch auch damit einher, dass ich die Abwertung von Weiblichkeit (und damit auch Frauen) selbst sehr stark internalisiert und sicherlich auch reproduziert habe. Dass es eine Menge Frauen gibt, die sich für die gleichen Dinge interessieren wie ich, die politisch sind und ehrgeizig und laut für eine andere Gesellschaft streiten, die klug sind und interessant und mehr zu sagen haben als manche Männer, die das immer so selbstverständlich für sich reklamieren – kurzum: dass „Weiblich-Sein“ auch das bedeuten kann, was Frauen oft abgesprochen wird – habe ich deshalb erst wirklich wahrgenommen, als ich auf die Falken gestoßen bin. Meine Genossinnen haben mein Verständnis von Weiblichkeit sehr verändert, was meinen Ärger über die Beschränktheit, die dem Begriff gesellschaftlich eingeschrieben ist, schließlich immer weiter vergrößert hat. Besonders wütend war ich aber, als ich kapiert habe, dass es relativ egal ist, dass ich das jetzt verstanden habe, solange es nicht alle verstehen. Denn für die Überwindung des Patriarchats bringt es eben nichts, „Weiblichkeit“ für sich einfach anders zu definieren als die Gesellschaft es tut. Es muss sich mehr verändern und zwar ganz grundsätzlich. Frauen sind dafür eine wichtige Kraft, aber das bedeutet, Auseinandersetzungen zu führen und zu streiten, auch mit Männern, die einem nahe stehen – in der eigenen Politgruppe, der Familie, dem Freundeskreis. Das ist im Alltag mitunter ein ganz schöner Kampf. Den müsste ich nicht führen, wäre ich nicht weiblich.

Was macht eine ostdeutsche Biografie aus? Was macht dich ostdeutsch?

Wie ich in den vergangenen Jahren gelernt habe, macht mich offenbar ostdeutsch, dass ich auch schon vor seinem Todesjahr 2019 wusste, wer Siegmund Jähn ist und dass ich unter Jägerschnitzel kein Schnitzel mit Pilzen verstehe. Aufgefallen ist mir das aber erst relativ spät, denn lange Zeit hatte ich wenig mit Menschen zu tun, bei denen das anders ist. Und weil sich mein Leben immer noch nahezu ausschließlich in Ostdeutschland abspielt, komme ich mir eigentlich die meiste Zeit relativ normal vor.

Vielleicht ist mein Blick auf die DDR eher ostdeutsch: Mein erster Berührungspunkt mit diesem untergegangenen Staat war nicht Hohenschönhausen, ehemaliges Stasi-Gefängnis und anschließend lange Jahre Ideologiefabrik des (westdeutschen) Antikommunisten Hubertus Knabe, sondern die Fahrt auf der MZ mit meinem Vater und – wie mir erst viel später bewusst wurde – dass in meiner Grundschule der Sportunterricht mit „Sport frei!“ begonnen wurde. Obwohl mir also klar ist, dass die DDR ein Staat war, in dem Menschen, nicht zuletzt dissidente Sozialist*innen, aufgrund ihrer politischen Überzeugung verfolgt und eingesperrt wurden, hatte ich nie die Vorstellung, dass allein diese Tatsache ihn schon komplett beschreibt. Ich kenne Leute, für die die DDR mehr war als Repressionen, fehlende Reisefreiheit, „Neues Deutschland“ und der Mangel an Südfrüchten. Es gab dort zahlreiche Menschen, die nicht in Konflikt mit dem System gerieten und für die es in erster Linie bezahlbare Mieten und stabile Brotpreise garantierte. Mir ist deshalb vielleicht mehr als jungen Menschen in Westdeutschland bewusst, dass die meisten Leute in der DDR einen Alltag hatten, der mit dem Begriff „Diktatur“ sehr eindimensional bezeichnet wäre und ich interessiere mich sehr dafür, wie dieser Alltag aussah, weil die Menschen, die ihn erlebt haben, mich erzogen und sozialisiert haben. Insofern hat sich sicherlich etwas vom Realsozialismus auch in mein Denken und Handeln tradiert.

Fühlst Du dich politisch repräsentiert? Wenn Ja, wodurch? Wenn Nein, was fehlt?

Die Frage, ob ich mich als junge ostdeutsche Frau repräsentiert fühle, bezieht sich sehr affirmativ auf das Prinzip der Repräsentation. Ich möchte deshalb auf die Schwierigkeiten hinweisen, die aus meiner Sicht damit grundsätzlich einhergehen:

Natürlich kann es sein, dass eine Frau im Parlament meiner Position zum Beispiel bei Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf nähersteht als ein Mann und mich in dieser Hinsicht besser repräsentiert. Das ist jedoch nicht notwendigerweise so. Einerseits könnte der Mann ein Feminist sein und die Frau Beatrix von Storch. Andererseits hat die Frau vermutlich auch dann eine andere Perspektive auf die Thematik, wenn sie über einen anderen ökonomischen Hintergrund verfügt als ich, also über ein verhältnismäßig hohes Einkommen. Eine andere Perspektive ergäbe sich selbstverständlich auch aus einem sehr niedrigeren Einkommen, nur trifft das auf Parlamentarier*innen im Landtag und im Bundestag generell nicht zu. Diese sehr relevante Dimension – die Klassenzugehörigkeit bzw. der ökonomische Status einer Person – wird aber plötzlich unsichtbar, konzentriert man sich nur auf Attribute wie „jung“, „weiblich“ und „ostdeutsch“. Das Problem ließe sich insofern auf die Spitze treiben: Selbst wenn in einem politischen Gremium eine junge ostdeutsche Frau sitzt – die mit mir also alle drei Identitätsmerkmale Alter, Herkunft und Geschlecht teilt – bedeutet das noch lange nicht, dass ich mich von ihr politisch repräsentiert fühle. Eine junge Erfurter Stadtratsabgeordnete der CDU, die sich gegen die Frauenquote ausspricht, gegen „Linksextremisten“ hetzt und die gewaltsame Räumung besetzter Häuser mit „humoristischen“ Internet-Memes abfeiert, repräsentiert mich vermutlich in vielerlei Beziehung viel schlechter als ein alter westdeutscher Genosse.

Vermutlich machen jede*n Einzelne*n von uns aber ohnehin so viele verschiedene Dinge aus, dass eine politische Repräsentation gar nicht möglich ist. Auch ein Parlament muss also an dem Anspruch scheitern, die Gesellschaft adäquat zu repräsentieren. Deshalb ist es ohnehin mein übergeordnetes Ziel, gemeinsam mit allen Anderen die Verhältnisse, in denen wir leben, unmittelbar zu gestalten.

Welche Ereignisse und/oder Umstände haben Dich politisiert?

Politisiert hat mich eigentlich schon sehr früh die Auseinandersetzung mit dem historischen Nationalsozialismus. In relativer Nähe zu der Stadt, aus der ich komme, befand sich zwischen 1943 und 1945 das KZ Mittelbau Dora. In meiner kindlichen Naivität hat mich das sehr irritiert: Es gab ein Lager, in dem Menschen bis zur vollkommenen Erschöpfung ausgebeutet und gequält wurden mitten in der deutschen Gesellschaft? Und vor allem: Wieso leben trotz dieser höchst beunruhigenden Tatsache heute eigentlich Alle so entspannt vor sich hin? Ich habe dann versucht, diesen Fragen nachzugehen, viele Bücher dazu gelesen und andere Gedenkstätten besucht, aber die Antworten waren unbefriedigend. Auch in der Schule wurde das Thema natürlich behandelt, aber irgendwie hatte ich stets den Eindruck, die Auseinandersetzung wurde der Tragweite des Geschehenen, seiner historischen Bedeutung, nicht gerecht. Ich habe immer mehr Wissen angesammelt, hatte aber das Gefühl, trotzdem nichts zu verstehen – sehr frustrierend! Eher zufällig bin ich dann auf die Falken gestoßen und habe da Leute kennengelernt, die die gleichen Fragen auch so intensiv beschäftigt haben. Durch unsere gemeinsame Auseinandersetzung und Diskussionen wurde aus meiner zuvor rein moralischen Kritik eine stärker materialistische, die mein Unbehagen mit der Gesellschaft, für die der Nationalsozialismus in der Regel nur in historisches Kapitel unter vielen ist, konkreter werden ließ. Insofern ist meine Antwort auf die Frage, was mich politisiert hat, eigentlich dieselbe wie die vieler anderer Linker: Nazis. Nur eben anfangs nicht gerade die, die heute leben.

Kannst Du Dir deine Zukunft im Osten vorstellen? Wenn Ja, warum? (Wenn Nein, warum nicht? Was müsste sich verändern?)

Mein Blick in die Zukunft ist momentan insgesamt wenig optimistisch. Dabei spielt die Frage, wo in Deutschland ich lebe, aber eher eine untergeordnete Rolle. Die meisten Probleme, die ich sehe, sind zwar hier im Osten noch präsenter, betreffen aber eigentlich die Gesellschaft als Ganzes:

Würde ich im Westen leben, hätte ich bei einer Festanstellung zum Beispiel mehr Geld zur Verfügung und könnte mir vielleicht mehr leisten. Außerdem ist die durchschnittliche Arbeitszeit dort niedriger als hier. Daran, dass Lohnarbeit prinzipiell eine Zumutung ist und ich hier wie da vermutlich bis ich 105 Jahre alt bin einen wesentlichen Teil meiner Lebenszeit und Arbeitskraft damit verschwenden werde, einer Tätigkeit nachzugehen, die nicht in meinem eigenen Interesse liegt, kann ich aber auch dadurch nichts ändern, dass ich nach Stuttgart ziehe.

Ein anderes Beispiel sind die in der Bevölkerung weit verbreiteten rechten Einstellungen: Auch die äußern sich im Osten offener als im Westen. Klar nervt mich das hier oft, wenngleich ich mich selbstverständlich nicht in gleicher Weise davon im Alltag bedroht fühlen muss, wie z.B. schwarze Menschen. Mir ist jedoch bewusst, dass die Bedingungen für einen erneuten Zivilisationsbruch nicht nur in Dresden oder Erfurt fortbestehen, auch wenn dort vielleicht seine populärsten Befürworter von der Bühne brüllen und auch schonmal einer in der Sauna plötzlich das Horst-Wessel-Lied rezitiert. Insofern wäre ich nicht glücklicher, könnte ich mir Höckes Umsturzfantasien in Köln im Fernsehen anschauen anstatt hier vor Ort. Außerdem verschwinden die Nazis im Osten ja auch nicht dadurch, dass ich von hier wegziehe. Im Gegenteil: Je mehr Leute von hier weggehen, die so etwas wütend macht, desto mehr haben Rassist*innen die Möglichkeit, sich so zu äußern.

Am Ende macht der Kapitalismus einem doch überall das Leben schwer und dagegen sollten wir im Osten und im Westen dringend etwas unternehmen. In diesem Sinne und dafür: Sport frei!

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