Ein Beitrag unserer Landesvorsitzenden Saskia Scheler:
2014 und 2015 haben mehr Menschen in Deutschland und Thüringen Zuflucht vor Krieg, Terrorismus und unentrinnbarer Aussichtslosigkeit gesucht als in den Jahren davor. 2016 ist in den Nachrichten immer wieder zu hören, dass deutlich weniger Menschen nach Deutschland flüchten. Das liegt nicht zuletzt an der restriktiven Abschottungspolitik der EU und den verschärften Asylgesetzen auch in der BRD. Dennoch übertrumpfen sich Politiker*innen verschiedener Parteien immer wieder mit asylfeindlichen Forderungen – auch in Thüringen.
Ganz vorneweg natürlich die AfD mit Björn Höcke und Co., die sich schon längst nach Rechtsaußen katapultiert haben. Auch von einigen Landrät*innen mussten wir in den vergangenen Jahren immer wieder ablehnende Äußerungen gegenüber Geflüchteten hören, insbesondere in Bezug auf deren Unterbringung. Man denke z.B. an den Landrat des Wartburgkreises Reinhard Krebs (CDU), der sich im Oktober 2015 in einem Schreiben an Bodo Ramelow weigerte, Asylsuchende in seinem Landkreis aufzunehmen. Und auch die Landrätin des Landkreises Greiz, Martina Schweinsburg (ebenfalls CDU) sah sich mehrmals mit der Kritik von Geflüchtetenorganisationen konfrontiert.
Ganz besonders schmerzt es aber, wenn Sozialdemokrat*innen sich in ihrer Wortwahl und ihren Forderungen an das anpassen, womit vermeintlich besorgte Bürger*innen ihre Ressentiments zu kaschieren versuchen. Diese Woche wurde darüber im Zusammenhang mit den Äußerungen des Landrats von Schmalkalden-Meiningen Peter Heimrich (SPD) berichtet. Nachdem der Thüringer Flüchtlingsrat am 8. August eine Meininger Mehrzweckhalle besuchte, in der Geflüchtete untergebracht sind, wurde dieser auf Anweisung des Landrats des Geländes verwiesen und ein Hausverbot angedroht. Als der Flüchtlingsrat auf die beschämenden Unterbringungsbedingungen öffentlich aufmerksam machte, wehrte sich Peter Heimrich in der Presse mit der Äußerung: „Als Landrat fühle ich mich zuerst der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, dann kommt die Privatsphäre unserer Gäste, die sich in einigen Fällen nicht wie Gäste benehmen.”
Einen Tag später – nachdem auch Landespolitiker*innen, insbesondere die Thüringer Migrationsbeauftragte Mirjam Kruppa, die Kritik des Flüchtlingsrats aufgegriffen hatten – legte Peter Heimrich nach, die Gemeinschaftsunterkunft in der Mehrzweckhalle werde für “nicht wohnungstaugliche Flüchtlinge” dringend benötigt, da diese “nach gravierenden Vorfälle” in Wohnungen oder anderen Gemeinschaftsunterkünften nicht bleiben könnten. Heimrich führte hierfür u.a. Körperverletzung, Diebstahl und Sachbeschädigung an.
Vorgang und Wortwahl machen im ersten Moment sprachlos. Nichts desto trotz müssen wir uns aber fragen: Ist sich der Landrat bewusst, dass Asyl kein Gast- sondern ein Grundrecht ist? Weiß er, welches Öl er mit solcher Rhetorik ins Feuer rechter Menschenfeinde gießt? Wo stehen wir mit unserer politischen Kultur aktuell? Wie reden wir über Menschen, die hier Zuflucht suchen? Welches Verständnis haben wir von Rechtsstaatlichkeit? Haben wir uns von dem Grundsatz, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind, bereits verabschiedet?
Es steht außer Frage, dass Gewalt zu verurteilen ist. Wer sich straffällig macht, den oder die erwarten nach dem Strafgesetzbuch in der Regel Geld- oder Freiheitsstrafen. Warum aber werden Asylsuchende, die sich vermeintlich strafbar gemacht haben, aber in gesonderten Hallen untergebracht? Der Flüchtlingsrat spricht von Abschreckungs- und Strafmaßnahmen. Hierfür gibt es keinerlei gesetzliche Grundlage. Wer straffällig geworden ist, der*die muss ein rechtsstaatliches Verfahren und ggf. eine Verurteilung erhalten. Solange noch kein Urteil gesprochen worden ist, gilt der Grundsatz, dass auch keine Strafe erfolgen darf. Wer nicht straffällig ist, sollte möglichst dezentral oder aber in Gemeinschaftsunterkünften nach den gängigen Mindeststandarts untergebracht werden, deren Aussetzung in Thüringen bereits wieder aufgehoben worden ist. Auch handelt es sich bei der Mehrzweckhalle nicht um eine Notunterbringung, vielmehr wurden Geflüchtete aus bereits bezogenen ordentlichen Unterkünften hierher verlagert bei gleichzeitigen Kapazitäten in naheliegenden Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises. Genug Wohnraum gibt es, gerade im Flächenkreis Schmalkalden-Meiningen. Es ist eine politische Entscheidung, diese Menschen nicht menschenwürdig unterzubringen.
Noch erschreckender ist, wenn man von Peter Heimrich hört: “Wenn eine Familie eine komplette, von Steuergeldern finanzierte Wohnungseinrichtung kaputt schlägt, können sich Flüchtlingsrat und Co. gerne für eine komfortablere Unterbringung stark machen. Ich werde es nicht tun.” Tagtäglich gibt es in Deutschland Gewalt im häuslichen Umfeld. Es ist denkbar, dass Gewalt gegen Sachen und auch gegen Personen auch in Familien von Geflüchteten präsent ist – gerade wenn diese traumatisiert sind und unter widrigen Bedingungen und in Angst vor Abschiebungen leben. Dass aber alle Familien, die in der Mehrzweckhalle untergebracht sind, gemeinschaftlich beschließen, ihre Wohnung aus Böswilligkeit zu zerstören, ist schwer denkbar. Vielmehr muss hier geschaut werden, wer wirklich für die Sachbeschädigung verantwortlich ist und diese Person zur Verantwortung gezogen werden. Handelt es sich hier vielleicht um einen Fall von Kindeswohlgefährdung? Dann muss das Jugendamt verständigt werden. Ganze Familien aber in Sippenhaft zu nehmen und in untauglichen Hallen unterzubringen, widerspricht jedem rechtsstaatlichen Prinzip. Mal ganz abgesehen davon, dass so Probleme nicht gelöst, sondern nur verlagert werden.
Für uns Jusos steht fest:
Das Asylrecht ist und bleibt ein Grundrecht. Alle Menschen haben das Recht, einen Asylantrag zu stellen und ein faires Verfahren zu erhalten, in dem sie ihre Fluchtgründe deutlich machen können. Es handelt sich nicht um ein Gastrecht, das man verwirken könnte, wenn man sich nicht „als Gast benimmt“. Und weil es ein Grundrecht ist, das allen Menschen zusteht, haben auch alle Menschen das Recht auf eine menschenwürdige Unterbringung. Kein Mensch ist „wohnungsuntauglich“!
Wir fordern alle Amtsträger*innen auf, sich zu diesem Grundrecht zu bekennen und alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Asylsuchenden eine menschenwürdige Unterbringung zu ermöglichen. Wir stehen an der Seite des Thüringer Flüchtlingsrats, der nach dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz zu Recht Zutritt zu Gemeinschaftsunterkünften hat. Es ist eine Bereicherung unserer demokratischen Gesellschaft, dass gemeinnützige Organisationen wie der Thüringer Flüchtlingsrat für die Verteidigung von Menschenrechten und Humanismus eintreten. Diese Arbeit sollten alle Amtsträger*innen ernst nehmen und unterstützen.
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