JUNG, WEIBLICH, OSTDEUTSCH
warum wir eine Kampagne starten.
In einer Kommentierung der Zahlen der allgemeinen Bevölkerungsumfrage 2018 stellen die Wissenschaftler:innen fest, dass die ostdeutschen Frauen sich politisch vergleichsweise schlecht vertreten fühlen sowie unzufriedener mit der Arbeit der Regierung in Deutschland sind. Drei von vier Ostfrauen denken, dass sich Politiker:innen nicht um ihre Gedanken kümmern. 2008 waren sogar noch rund 85% dieser Meinung. Im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsgruppen in Deutschland geht der Anteil der Ostfrauen, der sich aktiv in der Politik einsetzen möchte, weiter zurück. Während es im Jahr 2008 für jede Vierte vorstellbar war, kommt es 2018 nur für jede Fünfte in Frage. Der Blick auf den Frauenanteil in den Länderparlamenten macht deutlich, dass die Frauen im Osten genauso wie im Westen nicht ausreichend repräsentiert sind. Hinter den Kulissen der starken Ostfrauen an den Parteispitzen sind wenige Frauen aus dem Osten organisiert. Auch wir sind selbstkritisch, auch die Jusos sind zu ⅔ männlich.
Wenn wir einen Blick auf die Eliten in der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik insgesamt werfen, wird das Bild noch dramatischer. Dreißig Jahre nach der Wende sind die Ostdeutschen laut der Studie der Uni Leipzig und des DeZim-Instituts mit 10,1% in Elitepositionen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vertreten. Bei einem Bevölkerungsanteil von 19,4% sind Ostdeutsche damit unterrepräsentiert. Die Debatte um die verbindliche Frauenquote in den Vorständen der DAX-Konzerne (derzeit ein Frauenanteil 14,1%) macht deutlich, wie stark die gläserne Decke in der freien Wirtschaft ist. Und von den 184 Dax-Vorständen sind 2 Personen aus Ostdeutschland, darunter eine Frau. Ein Blick nach Thüringen zeigt zudem, wie wenig der öffentliche Dienst seiner Vorbildfunktion nachkommt. Betrachtet mensch die A16-Besoldung in Thüringen (5.949 – 7.543 € brutto, gestaffelt nach Erfahrungsstufe), wird dies besonders deutlich. In dieser Wertigkeit in der Verwaltung sind 161 Stellen vorhanden. Davon sind 74, also rund 46 %, mit westdeutschen Männern besetzt. Es folgen die ostdeutschen Männer mit 38 Stellen, rund 24 %. Und hier wird deutlich: es bleiben rd. 30% der Stellen für Frauen aus Ost und West (25 bzw 24 Stellen, jeweils rd. 15 %). Erkennbar ist also, dass bereits 70% dieser hoch dotierten Verwaltungsstellen an Männer gehen. Und insgesamt geht beinah die Hälfte der Stellen an Männer aus Westdeutschland.
Diese Tendenz zu unterbrechen, ist durch die enge Vernetzung der westdeutschen Eliten auch im Osten unheimlich schwierig. Trotz der mittlerweile verbesserten Aufstiegschancen der Ostdeutschen, insbesondere Frauen, ist dies weiterhin ein Problem, auf dessen Lösung wir nicht ewig warten wollen. Wir haben als Jusos Thüringen deshalb auf der letzten Landeskonferenz beschlossen, für eine Ostquote zu streiten.
Eines ist für uns klar: wo sich politische Macht nicht bündeln lässt, wo Probleme aufgrund mangelnder Repräsentanz nicht angesprochen werden, dort wird es keine Bewegung in Richtung Gleichberechtigung geben. Deshalb wollen wir unseren politischen Einfluss und unsere Plattform dazu nutzen, einem bestimmten Typ Frau eine Bühne zu geben: nämlich denen, die außerdem aufgrund ihres Alters und ihres Geburtsorts noch schlechtere Chancen haben, in politische Gremien oder Leitungspositionen zu kommen: junge Frauen aus Ostdeutschland.
Es warten spannende Interviews und Gespräche auf Dich. Sei gespannt.
¹ https://www.mdr.de/zeitreise/schwerpunkte/ostfrauen-132.html
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