Gesetzlich gibt es zwar viele Vorkehrungen, um Gewalt gegen Frauen* zu begegnen, doch unterscheidet sich die gesetzliche Ebene häufig von der Wirklichkeit. Oft dauert es lange, bis Straftaten zur Anzeige gebracht werden, vor allem wenn sich Opfer und Täter sehr nahestehen. Oft gibt es finanzielle oder seelische Abhängigkeiten, Scham oder Angst vor Öffentlichkeit. Deshalb ist Gewalt gegen Frauen* ein Thema, bei dem wir alle aktiv werden müssen und nicht wegschauen dürfen. Gewalt darf nicht verharmlost werden und wir müssen uns alle gemeinsam auf die Seite der Betroffenen stellen.
Deutschland hat im Februar 2018 die Istanbuler Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt unterzeichnet. In ihr sind alle Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt eingeschlossen, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Leiden oder Schäden bei Frauen* führen. Gewaltschutz ist hier eine Gesamtstrategie und sollte auch als solche umgesetzt werden. Die Grundlage bilden der Ausbau und die Förderung von Schutzangeboten, Beratungsstellen, Frauen*-Zentren und -Häusern. Beim letzten Parteitag der SPD Thüringen wurde ein Antrag der Jusos Thüringen zur schnellen Umsetzung der Istanbul Konvention beschlossen. Der Prozess der Umsetzung soll durch die SPD Thüringen und die SPD-Fraktion im Thüringer Landtag aktiv begleitet werden. Die Verantwortung für die Umsetzung kann nicht nur an Hilfsorganisationen und Beratungsstellen abgegeben werden. Wir müssen alle solidarisch sein, Beistand leisten und Betroffene unterstützen. Unsere Aufgabe besteht darin Sorge dafür zu tragen, dass die Punkte, die die Konvention umfassen nicht nur so schnell wie möglich umgesetzt werden, sondern auch nachhaltige Konzepte zum Gewaltschutz ausgearbeitet werden.
Wir müssen alle deutlich machen, dass es in unserer Gesellschaft keinen Platz für Gewalt gegen Frauen gibt, dass Frauen*, die misshandelt werden unsere Unterstützung haben und wir uns der Gewalt gemeinsam entgegenstellen. Jede dritte Frau* hat seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides erfahren. Jede fünfte Frau* hat diese Gewalt in der Partnerschaft erlebt. Und ein alarmierend hoher Anteil von Frauen* war oder ist auch der psychischen Gewalt des Partners ausgesetzt. Durch häusliche Gewalt werden in Deutschland mehr Frauen* verletzt oder geschädigt als durch Körperverletzung mit Waffen, durch Überfälle, durch Raub oder Wohnungseinbrüche.
Gewalt gegen Frauen* hat als geschlechtsspezifische Gewalt einen strukturellen Charakter und ist ein sozialer Mechanismus, der dafür sorgt, dass Frauen* eine untergeordnete Stellung im Machtgefüge zugewiesen bekommen. Strukturelle
Gewalt wird durch ungleiche Machtverhältnisse hervorgerufen, die es zu überwinden gilt. Gewalt gegen Frauen* ist Ausdruck von ungleichen Machtverhältnissen zwischen Frauen* und Männern. Sie führt zu einer Beherrschung und einer Diskriminierung von Frauen* und verhindert die volle Gleichstellung aller Geschlechter.
2018 wurden 122 Frauen* durch Partnerschaftsgewalt getötet. Als die Zahl veröffentlicht wurde, wurde sie schnell relativiert und abgetan. Durch verharmlosende Begriffe wie „Familiendrama“ oder „Familienstreit“ in Medienberichten werden Gewalttaten relativiert. Die Zahl der Tötungsfälle ist zwar leicht gesunken im Vergleich zum Vorjahr, jedoch wurden absolut mehr Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. In rund acht von zehn Fällen von schwerer, zielgerichteter Gewalt gab es im Vorfeld mindestens Anzeichen erhöhter Gewaltbereitschaft. Die Betreffenden zeigen oft schon im Vorfeld Muster von gewalttätigem Handeln oder Einschüchterungsversuche.
Um Gewalt zu verhindern ist es also wichtig, problematisches Verhalten im Hier und Jetzt frühzeitig zu erkennen, darauf zu reagieren und so mögliche Gewalt zu verhindern und Betroffene zu schützen. Dazu muss das Thema Gewaltschutz mehr in den öffentlichen Fokus rücken, sowie Präventionsprogramme ausgebaut werden.
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