Die Berliner Mauer ist zum Glück Geschichte. Genauso wie die Notwendigkeit der Perestroika, also auch eine Annäherung von zwei gegeneinander kämpfenden Weltmächten. Wir haben das Ende des Kalten Krieges erlebt oder kennen die Geschichte aus Büchern. Im Jubiläumsjahr der nun 25jährigen Wiedervereinigung können diese 25 Jahre, die in der Historie des Menschen nicht länger als eine Sekunde vorkommen, schnell in Vergessenheit geraten. Welche Abrüstung? Welche Annährung von Ost und West? Längst fühle ich mich wie in Zeiten des Kalten Krieges versetzt, mit verbalen Drohungen und Anfeindungen seitens Moskau und Washington. Nur ist Moskau nicht mehr so mächtig wie früher. Wenigstens etwas.
Die ganze Welt stand in Schockstarre, als der Staatsapparat die Krim annektierte und das als Wiedervereinigung feierte, und nebenbei wurde auch mit russischer Hilfe ein Bürgerkrieg im Osten des Landes angezettelt, welcher Menschenleben, die komplette Infrastruktur und die Freundschaft beider Länder vernichtet. Damit rückte Wladimir Putin in den Zenit seiner bis heute andauernden Präsenz in den Medien der ganzen Welt. Die USA spricht offen über Russland als politischer Gegner Nummer 1, die EU einigte sich schon sehr früh auf wirtschaftliche Sanktionen, die bis heute die russische Wirtschaft, aber vor allem, und das ist das Traurige, die durchschnittliche Bevölkerung treffen, die in der Politik Putins eher eine Marionette zu sein scheinen.
Mit dem Einsatz im Syrienkonflikt verschafft Putin, dessen Land wirtschaftlich am seidenen Faden hängt, künstlich die Figur einer Weltmacht. Er inszeniert den Retter und Macher in der Rede bei den Vereinten Nationen, attackiert verbal die USA und Obama und initiiert einen Stellvertreterkrieg – ein typisches politisches Mittel der Zeit des Kalten Krieges. Die angeblich frohe Botschaft Russlands, den IS zu stoppen, erfüllt er nach dem Start der militärischen Aktivitäten Russlands in Syrien mit Nichten. Die meisten Ziele der Bombardierung treffen gemäßigte Oppositionelle und einfache Bürger*innen – und eben nicht den IS. Nein, Russland trägt nicht zum Frieden in Syrien bei, sondern beflügelt den Krieg. Das ist die bittere Realität von Putins Außenpolitik.
Innenpolitisch scheint fast jedes Problem ungelöst. Putins Regierung versagt in fast jedem innenpolitischen Thema. Doch Fehler werden dank einer gut geölten Propagandamaschinerie mit den dargestellten „Erfolgen“ in der Außenpolitik kaschiert. Die mangelnde Effizienz von Behörden, die tiefe soziale Spaltung, die schlechten Löhne, und vor allem die wirklich hinkende Wirtschaft. Seit dem der Kurs von 46 Rubel/Euro im letzten Jahr relativ sprunghaft auf 70 Rubel gesunken ist, und damit die Preise nach oben sprangen, die Löhne jedoch annährend gleich blieben, ist bei armen Familien die Luft noch dünner geworden. Die größten Firmen sind meist im staatlichen Bereich angesiedelt, viele kleine Firmen haben sich durch Kontakte zur Administration oftmals den fast uneingeschränkten Zugang zu Ausschreibungen des Staates verschafft. Vor allem in solchen Firmen ist die (oftmals offene) Korruption sehr hoch. Aufgrund der großen Unsicherheit fehlen die Investor*innen, viele vermögende Bewohner*innen schaffen ihr Geld ins Ausland, der dadurch entstehende Kapitalabfluss schadet dem Land massiv. Es gibt wenige international agierende russische Unternehmen, die meisten fischen nur auf dem russischen Binnenmarkt, ohne Perspektive auf weitere Entwicklung. Längst kommen die meisten Lebensmittel im Supermarkt von nebenan aus Deutschland oder Europa. Genau wie viele andere Märkte, auf welchen russische Unternehmen nicht mitspielen können. Seit Jahren gehen die Investitionen in Bildung zurück, die Militärausgaben steigen. Der Trend wird sich nach Angaben des Chefs des Arbeitgeberverbandes Russland verstetigen. Damit investiert Russland an der Zukunft vorbei, um den Ansprüche des Präsidenten gerecht zu werden.
Die Syrienkrise ist längt zu einer Weltkrise mutiert, einer politischen Krise, die dank Atomwaffen und einer hohen Aufrüstung Dimensionen annimmt, die selten zuvor eine politische Auseinandersetzung hatte. Das Eingreifen Putins macht klar, dass auch andere politische Auseinandersetzungen mit Russlands Einfluss rechnen könnten – und müssten. Die frühere Ostpolitik Willy Brandts, die vor allem die Stäke der Diplomatie aufzeigen konnte, muss der Leitfaden der Diplomat*innen der BRD sein. Es ist klar, dass eine offene Konfrontation mit Russland einen Krieg bedeuten könne, jeder falsche diplomatische Schachzug könnte die Krise in der Ostukraine und Syrien weiter befeuern. Aus jungsozialistischer Sicht ist dabei besonders anzumerken, dass ein Festhalten an Assad gegen jegliche Humanität spricht, dass das Verhalten Russlands in der Ukraine gegen die internationalen Verträge und das Völkerrecht verstößt und dass ein Kalter Krieg 2.0 mit allen Mitteln unterbunden werden muss. Es geht in erster Linie um die Einwohner*innen Syriens, der Ostukraine und Russlands, und genauso um die globale Sicherheit, die zurzeit mehr als bedroht ist.
Die Orientierung Russlands nach China und anderen diktatorischen Regimes darf uns nicht kalt lassen. Die Entwicklung von einer bipolaren Welt mit entsprechenden Machtspiralen ist eine immer wahrscheinlichere zukünftige Weltordnung und eine traurige Bilanz des 21. Jahrhunderts, nach so vielen Jahren Krieg, Leid und Hunger. Einmal gab es mit der Perestroika den Wechsel. Lasst uns für einen Wechsel, 25 Jahre danach, mit mehr Nachhaltigkeit sorgen.
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