Ein Blogbeitrag unseres stellv. Landesvorsitzenden Konstantin:
Die rechtspopulistische Partei PiS – in unserem Parteienspektrum wäre sie irgendetwas zwischen CSU und AfD – stellt den politischen Flügel der erzkatholischen Bewegung Polens dar. Nicht zuletzt durch die massive Unterstützung der Bischöfe und des erzreaktionären Senders Radio Maryja hat die Partei die letzten Wahlen zum Sejm klar gewonnen. Dabei profitierte sie auch von der Schwäche der zersplitterten polnischen Linken, die seitdem nicht mehr im Parlament vertreten ist – nicht zuletzt deswegen erreichten die Rechtspopulisten die absolute Mehrheit.
Die Wahlen 2015 können daher als ein Sieg der nationalkonservativ-katholischen, eher ländlichen geprägten über die säkular-liberalen, urbanen Kräften verstanden werden. Dies ist fatal, denn die Rechten versuchen nun, ein erzkatholisches, monoethnisches Polen zu errichten. Sie selbst tarnen das häufig als Wiederherstellung einer alten Ordnung, die so jedoch nie existiert hat. Denn Polen hat – was leider viel zu selten beachtet wird – eine der längsten progressiven und vor allem säkularen Traditionen Europas vorzuweisen. Bereits im Jahre 1573 wurde die Religionsfreiheit gesetzlich verankert, früher als in jedem anderen europäischen Staat.
Die PiS-Regierung versuche in letzter Zeit, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch nicht nur rhetorisch, sondern es auch ganz real anzugreifen. Am 23. September passierte ein entsprechender Gesetzesentwurf das Parlament. Die Gesetzesbefürworter*innen kommen meist aus dem erzkatholischen Milieu und argumentieren offen religiös. Aus diesem Grund kann man feststellen: Hier werden nicht nur das Recht der Frauen*, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, sondern indirekt auch die säkulare Ordnung bedroht.
Gegen diese gefährlichen Pläne organisierte sich Widerstand. Am 3. Oktober kam es zum Frauen*-Streik unter dem Motto #CzarnyProtest, schwarzer Protest. Knapp 100000 Frauen* im ganzen Land legten die Arbeit nieder, viele kleideten sich schwarz. Aus der Regierung kam zunächst vor allem Häme. So wurde der Außenminister Waszczykowski mit der Aussage zitiert, man solle „ihnen doch ihren Spaß lassen.“ An einen Erfolg war zunächst nicht zu denken.
Nun ist alles anders. Der Senat lehnte den Gesetzentwurf ab und schickte ihn damit in den Sejm zurück. Dort wurde am 6. Oktober schließlich endgültig abgelehnt, trotz der absoluten PiS-Mehrheit. Eine repräsentative Umfrage besagt, dass 75% der Pol*innen dies auf #CzarnyProtest zurückführen. Für die feministische Bewegung ein riesiger Erfolg. Doch noch immer hat Polen eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze der Welt.
Die politische Aktivistin und faktische Anführerin der Proteste Barbara Nowacka, bei den letzten Wahlen Spitzenkandidatin der Vereinigten Linken, ruft vor diesem Hintergrund zu weitergehenden Aktionen auf. Zusammen mit ihren Unterstützer*innen will sie eine Millionen Unterschriften sammeln, um die EU-Kommission dazu zu zwingen, dem Europäischen Parlament einen Gesetzesentwurf für die Liberalisierung der Abtreibungsgesetze EU-weit vorzulegen.
Die feministische Bewegung Polens geht also in die Offensive. Es wird Zeit, sich diesem lauten Vorwärts! anzuschließen. Denn die politische Linke hat hierzulande eine wesentlich bessere Ausgangssituation als in Polen. Was könnten wir schaffen, wenn die polnische Außerparlamentarische Opposition die Regierung unter Druck setzen und vor sich hertreiben kann? Die #CzarnyProtest-Kampagne ist mehr als nur ein Triumph für die Frauenrechte und eine Verteidigung des polnischen Säkularismus. Sie ist Beweis, dass Politik auf der Straße gemacht und auch durch die Straße durchgesetzt werden kann.
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