#2 Rezension für Dich und Mich: Serienrezension zu „Pose“

von Josephine Petzold, stellv. Landesvorsitzende der Jusos Thüringen

Was weißt Du über schwarze LGBTQI*1-Kultur? Ich, bis ich vor ein paar Wochen Pose angefangen habe, zugegeben so gut wie nichts. Ballroom Culture und Voguen kannte ich gerade mal aus RuPaul’s Drag Race.Meine Privilegien als weiße hetero Cis2-Frau sind mir durch dieses Unwissen erneut vorgelegt geworden, denn die Bedeutung der Szene für die Community war enorm. So finde ich es auch nicht ganz unproblematisch, in meiner privilegierten Position die Inhalte der Serie zu beschreiben. Da sie in Deutschland allerdings wenig Aufmerksamkeit bekam, möchte ich dennoch diese Gelegenheit nutzen, sie einem größeren Publikum vorzustellen.

Die Serie Pose spielt im New York der späten 1980er. Ohne viel Erklärung wird man hineingeworfen in die Welt der Houses, Gruppen von BIPoC3Trans*frauen und Gays. Wie ein House gelebt wird, ist dabei Auslegungssache: manche leben zusammen, andere bestehen vordergründig für die Balls. Diese sind das Zentrum der Szene: große, imposante Feste, bei denen in verschiedenen Kategorien vor tobendem Publikum, dem feixenden MC Pray Tell und kritischer Jury gegeneinander angetreten wird: live, work, pose!

Wir lernen Blanca kennen, die mit der Behandlung in ihrem House of Abundanceunter Leitung von Mother Elektra Abundance unzufrieden ist und beschließt, ein eigenes House zu gründen. Gemeinsam mit Angel, die ebenfalls zum House of Abundance gehörte, und dem jungen, wohnungslosen Tänzer Damon gründet sie das House of Evangelista. So entspinnt sich eine Geschichte um die Rivalität der beiden Häuser im Ballroom und die Struggle der Protagonist*innen außerhalb der schützenden Wände ihrer nächtlichen Welt. So hat beispielsweise die Frage, ob manpass-t, also als Cis-Frau durchgeht, für die Protagonistinnen nicht nur großen persönlichen Wert, sondern ist auch elementar für ihre individuellen Möglichkeiten der Lohnarbeit. Manche von ihnen treibt das in die Sexarbeit, wo sie vielmals zur Befriedigung von Fetischen objektifiziert werden. Hinzu kommt die AIDS-Epidemie, von dem die Gesellschaft nur aus homophoben Gerüchten und Fehlinformationen weiß – was die Diskriminierung von LGBTQI* nur noch befeuert. Und nicht zuletzt haben die meisten von ihnen keinen anderen Ort als ihr House, den sie Zuhause nennen können, da sie für ihre Sexualität oder Gender von ihren Familien verstoßen und von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Der Kampf um Akzeptanz scheitert immer wieder an der Feststellung, dass diese Gesellschaft „not ready“ ist.

Und so lehrt Pose der*m Zuschauer*in im blanken Kampf der Protagonist*innen um Daseinsberechtigung und die Freiheit, man selbst zu sein, einen deutlich erweiterten Blick auf die Struggle einer Szene, die sich zum Bodensatz der Gesellschaft erklärt fühlt und auf jede nur erdenkliche Weise diskriminiert wird. Und die sich trotzdem Räume nimmt, in denen sie für ein paar Stunden ihr Leben friedlich leben können – bis auf die Rivalitäten und die gnadenlosen Scores der Jury, natürlich. Die Ballroom-Szenen der Serie geben das Gefühl, mitten im Spektakel zu sein, und bestechen nicht nur mit ihren unglaublich viel Spaß machenden Show- und Tanzeinlagen und fantastischen Kostümen, sondern auch mit einem 80s-Soundtrack, der Stranger Things vor Neid erblassen lässt.

Pose ist die Serie, die mich bisher mit Abstand am tiefsten für ihre Charaktere empfinden ließ und mich auch jetzt, mehr als eine Woche nach Abschließen der zweiten und bisher letzten Staffel, noch oft an sie zurückdenken lässt. Eine dritte Staffel ist angekündigt. Der Großteil des Casts ist mit LGBTQI* besetzt.

1LGBTQI*: Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer, Inter, und alle weiteren nicht-Cis Gender und nicht-hetero Sexualitäten
2Cis: Identifikation mit dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht 
3BIPoC: Black, Indigenous & People of Colour; alle nicht-Weißen
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