Im Folgenden dokumentieren wir unkommentierte Gedächtnisprotokolle von der Gegenkundgebung zur AfD-Demo am 29.09. 2015. Wer seine Eindrücke ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte, kann eine Email an jusos-thueringen@spd.de senden.

Opfer von rechter Gewalt finden hier Hilfe: http://www.ezra.de

 

Anika:
Erschreckendes gewaltpotential, „besorgte Bürger“ in Thor Steinar Klamotten, Demonstrieren gegen was eigentlich? Gestern Abend galt es wieder, dass wir deutlich zeigen: Refugees are welcome here. Viele der „besorgten Bürger“ waren auch gekommen, die die am Rand stehen in Naziklamotten, die, die aggressiv brüllend gar nicht ihre Reden verstehen, weil sie nur damit beschäftigt sind, von uns Bilder zu machen, Videos zu drehen. Wir wollen uns nicht verstecken, wir wollen deutlich zeigen, dass wir gemeinsam für die Flüchtlinge kämpfen wollen. Unterstützt worden sind wir von vielen Landtagsabgeordneten, die bis zu Schluss nicht gegangen sind, die in den ersten Reihen vertreten waren, u.a. Diana Lehmann, Dagmar Becker, Johanna Scheringer-Wright, Christian Schaft, Astrid Rothe- Beinlich und Madeleine Henfling. Aber das die Situation zum Schluss doch eskaliert, war ein Stück weit voraus zu sehen. Einige Teilnehmer der anderen Seite durften nicht direkt am Landtag vorbei gehen. In der Diskussion mit den Beamten vor Ort schlichen sich weitere Teilnehmer an ihnen vorbei. Direkt Richtung Bahnhof. Vom Landtag Richtung Bahnhof führen viele Wege, aber nur wenige waren abgesperrt oder wie mehr beschützt.

Daniel:
“Wollt ihr den totalen Migrantenstopp?”, “Lügenpresse”, Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen”, “Lumpenpack” und als runden Abschluss der Demo wurde das Deutschlandlied gesungen (immerhin nur die dritte Strophe). Abgeordnete, Gewerkschafter und Unbeteiligte wurden von Nazi-Skin-Hools attackiert. Vorher sah ich auch an der Total-Tankstelle eine solche Gruppe die sich mit ordentlich Sternburg eindeckte. Sogar ein Kind wurde blutig geschlagen. Ich habe solchen Hass noch nie erlebt. Und als wäre das alles nicht genug, haben sich die “Lügenpresse”-Rufer der AfD danach beim Parlamentarischen Abend des MDR trotz allem den Bauch vollgeschlagen. Wahrscheinlich wollten sie das maximale aus der “GEZ-Zwangsabgabe” (O-Ton) rausholen. Als die Gegendemo Richtung Hauptbahnhof aufbrach, stand ich bei dem Lautsprecherwagen der Naturfreunde-Jugend. Wir wurden gefragt, ob wir den Lautsprecherwagen bis zur Straße begleiten können, da wir unbeteiligte waren. Als wir am Landtag vorbeiliefen, bauten sich plötzlich aggressiv Rechtsradikale vor uns auf. Glücklicherweise konnte die Polizei schlimmes verhindern.

Denny:
Es ist ungeheuerlich, was ich gestern Abend am Rande der AfD Demo erleben und ertragen musste. Wie viele weitere Kolleginnen und Kollegen hatte ich die Proteste gegen die rechtspopulistische Hetze auf Flüchtlinge und etablierte Politik durch die AfD am Thüringer Landtag unterstützt. Während des „Marsches“, wie die AfD Vertreter es selbst nennen, um das Regierungsviertel protestierten Menschen allen Alters auch an weiteren Punkten der Aufzugstrecke friedlich.
Als die AfD Demonstration an der Clara Zetkin Straße Ecke Häßlerstraße vorbeizog, bekamen es die dortigen Gegendemonstranten aufgrund massiver Gewaltandrohung bei gleichzeitig wenig polizeilicher Begleitung mit der Angst zu tun und wollten sich zum Schutz vor Übergriffen auf einer nahegelegenen Parallelstraße zügig zum Landtag bewegen. Ich erfuhr dies durch einen hilfesuchenden Anruf einer ver.di Kollegin, die sich von gewaltenbereiten Demonstranten verfolgt fühlten. Daraufhin eilten die Landtagsabgeordnete und ver.di Kollegin Diana Lehmann und ich den Menschen entgegen, um mit ihnen gemeinsam zum Landtag zu gelangen. Kurz darauf mussten wir am eigenen Leib erleben, wie es ist, wenn Schlägertrupps jagt auf Menschen machen. Gut 300 Meter vom Thüringer Landtag entfernt stoppte uns ein schwarz gekleideter Schlägertrupp und prügelt auf alle die ein, die nicht schnell genug fliehen konnten.
Als ich merkte, dass eine Person aus der von uns begleiteten Gruppe gestürzt war und mindestens zwei Angreifer sie mit Tritten traktierten, drehte ich mich „Aufhören“-schreiend um und wollte zur Hilfe eilen. Mit meinem Handy hatte ich bereits die 110 gewählt. In dem Moment erschein ein bulliger Kerl vor mir, knallte mich mit voller Wucht gegen ein parkendes Auto und schlug mir unvermittelt mit der Faust ins Gesicht. Ich taumelte nach hinten, verlor Brille und Telefon, vernahm Schreie um mich herum und immer wieder Rufe „Holt die Polizei“.
Vielleicht weil Kollegin Lehmann einen Notruf abgegeben hatte oder weitere Menschen zur Hilfe eilten, auf jeden Fall ließen die Angreifer so schnell von uns ab, wie sie zu schlugen. Wir wollten trotzdem nicht bleiben und liefen, teils verletzt, zügig schutzsuchend zur Gegendemonstration und der Polizei am Landtag.
Die Frau, die die Tritte am Boden abbekam blutete am Knie und hatte eine geschwollene Nase. Mir selbst Schmerzen Finger, Ellenbogen und Gesicht.
Mein Fazit: Dies war kein zufälliger Überfall irgendwelcher Einzeltäter. Dies war ein politisch motivierter und eiskalt durchgeführter Gewaltexzess um Angsträume zu schaffen und Deutungshoheit zu gewinnen. Ich weiß von Berichten Anderer ich war nicht das einzige Opfer an diesem Abend in Erfurt. An verschiedenen Orten in der Stadt gab es solche oder ähnliche Übergriffe. Ein altbekanntes Mittel der extremen Rechten also, körperliche Gewalt als Mittel der Politik?
Die Angreifer haben sich die AfD Demo zu Nutze gemacht, um aus einer anonymen Masse heraus mit roher körperlicher Gewalt gegen all Jene vorzugehen, die sie als Gegner definieren: Ausländer, Linke, Gewerkschafter_innen und Alle, die sich öffentlich trauen laut zu sagen NEIN zu Rassismus und menschenverachtender Hetze!
Ich werde mir das auch zukünftig trauen und ich hoffe es trauen sich noch viel mehr.

Romy:
Wir haben uns der angemeldeten Demo vom Landtag Richtung Hauptbahnhof angeschlossen. Uns wurde versichert, dass wir, wenn wir 10 Minuten vor der AfD Demo nach unten gehen, sicher wegkommen. Klar es hat genervt, dass wir eher gegangen sind als die, aber als die Deutschlandhymne von denen gesungen wurde, fand ich es dann doch wieder gut verschwinden zu können. Eigentlich war erst alles gut, ich war im Vergleich zu den Demos vorher relativ zufrieden mit dem Verlauf. Als wir auf Höhe des Landtags waren bekam ich einen Anruf von meiner Freundin die mich gebeten hat nicht alleine nach Hause zu gehen. Auf meine Reaktion, dass wir mit der Demo laufen und dann zu Dritt weitergehen erzählte sie mir davon, dass sie gerade in einer kleinen Gruppe unterwegs war und von Nazis attackiert wurde, zwei aus ihrer Gruppe seien verletzt. In dem Moment habe ich registriert wie wenig Polizei um uns herum war. Dann habe ich die orangenen Westen, welche die Ordner der AfD getragen haben, neben mir gesehen… und die Nazis. Ich hatte den Eindruck, die haben die direkt zu uns geführt. Auf jedenfall wurden die Nazis nicht davon abgehalten uns zu folgen. Sie waren hinter uns, neben uns, und mitten in der Menge. Sie fingen erst zögerlich, dann nachdrücklich an „Volksverräter“ zu skandieren. Als sie anfingen die ersten Leute aus unserer Demo anzugreifen und rauszuziehen, was kurz hinter dem Landtag auf der Wiese passiert ist, haben wir den erst besten Polizeibeamten in unserer Nähe mitgeteilt, dass direkt bei uns die Nazi Häscher Leute aus der Menge ziehen. Glücklicherweise sind ein paar Polizisten hin und haben die Leute um den Lauti geschützt. Das hatte aber dazu geführt, dass nun so gar keine Polizei mehr bei uns war. Da hatte ich zum ersten mal wirklich Angst. Die sogenannten besorgten Bürger waren mitten unter uns im hinteren Teil der Demo. Bis zur Höhe vom Stadtpark wurden die beiden Lager nicht getrennt. Am Hauptbahnhof habe ich noch gesehen wie Polizisten auf Demonstrant*innen von uns los sind. Keine Ahnung warum, die standen nur da mit ihren Bannern und haben als Gruppe auf den Zug gewartet. Wir haben uns für die 500 Meter bis nach Hause ein Taxi genommen – ich hatte zu viel Angst zu Dritt über die Brücke zu gehen.

Toni:
Wenn ich an den gestrigen Tag denke, kommt immer noch das Gefühl der Hilflosigkeit und der Angst in mir hoch. Dabei hatte ich zu Beginn der Kundgebung noch ein gutes Gefühl. Es waren zwar viel zu viele AfD-Anhänger und die anwesenden Neonazis schreien ihre Hassparolen, aber wir konnten mit unserer Kundgebung in eine gute Ruf- und Sichtweise. Nach mehreren Aufrufen der Polizei, unsere Kundgebung weiter weg von der AfD-Demonstration zu verlegen und sie sogar eine Räumung androhten, durften wir dann, Dank der schützend vor uns stehenden Landtagsabgeordneten, an unserem Platz bleiben. Die Stimmung auf unserer Seite war sehr entspannt, nach und nach wurde die Situation aber immer angespannter, als sich die gewaltbereiten Neonazis in die ersten Reihen der AfD-Seite begaben und begannen uns und die Polizei zu provozieren. Michael Fischer, die Konsorten von Enrico Biczysko, der gesamte NPD-Kader war anwesend. Damit hätte ja auf dieser Demo keiner rechnen können?! Hier und da war ein „Deutscher Gruß“ zu sehen, die Polizei unternahm nichts. Laut Aussage eines Gegendemonstranten soll zu diesem Zeitpunkt ein großer Pflasterstein in unsere Richtung geflogen sein, wobei zum Glück niemand verletzt wurde. Auch hier unternahm die Polizei nichts. Die Info, dass die AfD-Demonstration nun laufen dürfe, schockte mich und verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Wir hatten damit nicht gerechnet, da nach unseren Informationen die Polizei die Gefahreneinschätzung als sehr hoch einschätzte und nur eine Standkundgebung genehmigt haben soll.
Auf die neue Situation waren wir nicht vorbereitet und meldeten an verschiedenen Stellen Spontan-Kundgebungen an, um uns der rassistischen AfD-Demo in den Weg zu stellen. Wir meldeten aber auch eine Kundgebung vom Landtag zum Bahnhof an, um gemeinsam den Platz zu verlassen und somit möglichen Übergriffen entgegenzuwirken. Schon auf den vorangegangen Demos kam es zu gewalttätigen Übergriffen von Neonazis auf unsere Kundgebungen und Teilnehmer*innen. Wir hofften auf einen Polizeischutz für uns, da die Neonazis in der AfD-Kundgebung Übergriffe auf uns verbal angekündigt hatten. Der Plan war, vor dem Ende der AfD-Demo den Platz zu verlassen, bevor sich beide Kundgebungen auflösen und die Gruppen nicht mehr getrennt werden können. Wir setzten uns in Bewegung und die ersten Nazi-Hools verließen ihre Kundgebung und liefen uns hinterher. Polizei war noch nicht zu sehen. Die Nazis mischten sich in unsere Spontan-Kundgebung und griffen die ersten unserer Kundgebungsteilnehmer*innen an oder skandierten ihre Hassparolen. Wir antworteten mit „Say it loud, say it clear – refugees are welcome here!“. Auf der linken Seite der Straße sammelten sich nun vereinzelte Polizeibeamt*innen um die Störer wegzudrängen. Jedoch kamen von hinten und von der rechten Seite Neonazis, pöbelten uns an und schubsten uns. Hierbei wurden einige Gegendemonstrant*innen verletzt. Die Polizei blieb auf der linken Seite und begegnete unserem Flehen nach Schutz mit regelrechter Gleichgültigkeit. Mir wurde gesagt: „Laufen Sie doch einfach weiter, da kommen dann irgendwann noch Beamte“. Dies nahm ich mit Entsetzen zu Kenntnis. Die Wut auf die Polizei stieg. Klar, müssen sie nur ihren Job machen, dann sollen sie ihn gefälligst auch richtig machen! Hilflos lief ich im Zug weiter. Von allen Seiten wurden wir gefilmt und uns zugerufen, das Bildmaterial würde schon an die „Richtigen“ weitergegeben, die wissen, wie damit umzugehen sei.
Irgendwann kamen wir dann am Bahnhof an, wo dann zum Glück mehrere Polizeibeamt*innen warteten, um uns zu schützen. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Doch was nun, wie kommen wir nun nach Hause, ohne von den, in der Stadt umherlaufenden Nazi-Gruppen zusammengeschlagen zu werden? Ich fragte einen Kommunikationsbeamten, wie wir vorgehen sollen und ob Polizeischutz in der Stadt unterwegs ist. Gleichgültig antwortete er: „Laufen Sie doch einfach ganz normal nach Hause.“ Was sollte denn bitte eine solche Antwort? Wir fanden nun mehrere Menschen, die in dieselbe Richtung mussten und begaben uns auf den Weg. Vereinzelte Streifen waren in der Stadt unterwegs. Mehrmals mussten wir die Straßenseite wechseln, aber wir kamen dann doch sicher zu Hause an. Ich bin entsetzt über das Auftreten der Polizei, über die unfassbar große Anzahl an Nazis auf der AfD-Demo und über die verharmlosende Berichterstattung.

Kevin:
„Von der Faktenlage, 5-7 organisierte Leute, mehrere davon haben die Umgebung ausgekundschaftet, Hooligan-Spektrum vermutlich Kollektiv56. Sind uns ab Johannesstraße gefolgt, wir haben dann entschieden auf den vermutlich gut belebten Wenigemarkt zu gehen um dann in Richtung Fischmarkt zu laufen und dort notfalls ins Rathaus oder sonstwohin zu gehen. Auf der Krämerbrücke war leider gar nichts mehr los, so das unsere Verfolger schneller wurden, haben sich aber immer noch taktisch fortbewegt, mind. zwei kundschaften die Umgebung nach möglicherweise Eingreifenden aus etc. dann gings los, sie sind uns in die Mutter der Krämerbrücke hinterhergerannt und haben B. angegriffen, ihm die Fahne entrissen. Der Stand perplex da und hat eingeschenkt bekommen mit seiner eigenen Juso-Fahne, die Angreifer haben dabei die ganze Zeit darauf geachtet keinen Muks zu machen. Dann sind wir halt los gesprintet, sie sind uns noch bis zum siju, wo noch Menschen saßen hinterher und dann sind wir ins Rathaus, ich hab die Cops angerufen usw. die Faschos sind dann in Richtung Michaelisstraße verschwunden.

1 Kommentar
  1. Corinna schmidt sagte:

    Ich bin sehr froh �¼ber so viel Engagement f�¼r Mitmenschlichkeit gegen Rassismus. Auch wir waren Gegendemonstranten,und wir kommen n�¤chsten Mittwoch wieder gegen Rassismus Gesicht zu zeigen.In den Schulferien sind viele Familien nicht in Erfurt, so dass erst nach den Ferien eine Teilnahme an den Gegendemonstrationen m�¶glich ist, ich hoffe, dass trotzdem viele Studenten kommen, denn die Semesterferien gehen zu Ende!Ich hatte ebenso wie viele anderen kurzzeitig Angst , dass uns die offensichtlich rechtsextrem gesinnten M�¤nner auf dem Weg Richtung Stadt nach dem Landtag angreifen, es war keine Polizei da, da sie nachdem es einen lauten Knall gab, losrannten und wir ohne Schutz waren. Wir haben dann junge Frauen beruhigt, die sehr gro��e Angst hatten.

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